Wie verschiedene Persönlichkeitstypen mit der aktuellen Krise umgehen Die Pandemie des Coronavirus bringt das Leben, wie wir es kennen, gründlich durcheinander. Arbeiten aus dem Homeoffice, die Forderung nach sozialer Isolierung und Ungewissheit, was der nächste Tag bringt: Auf all diese neuen Gegebenheiten reagieren Menschen zutiefst unterschiedlich. Wie jeder entsprechend seines Charakters besser mit den Herausforderungen fertig wird, verrät Organisationspsychologin Ragnhild Struss in diesem Artikel. Warum laufen einige Menschen schon seit Anfang März mit Atemmasken herum, während andere sich entgegen aller Empfehlungen noch zu „Corona-Partys“ treffen? Wieso versuchen manche, das Thema so gut wie möglich zu verdrängen, während es für einige gar nicht genug Informationen zu den neuesten Entwicklungen geben kann? So verschieden wir Menschen in unserem Temperament und unserem Wesen sind, so unterschiedlich ist auch unser Umgang mit einer Ausnahmesituation, wie sie aktuell in Deutschland und der Welt stattfindet. Im Folgenden stelle ich Ihnen neun Persönlichkeitstypen vor und gebe Tipps, worauf jeder achten kann, um besser durch diese Zeit zu kommen. 1. Die Perfektionisten Sie verhalten sich vorbildlich, möchten alles richtig machen und sehen es als Selbstverständlichkeit, sämtliche Schutzmaßnahmen einzuhalten. Es handelt sich hierbei um sehr pflichtbewusste Menschen, die persönliche Einschränkungen wie soziale Distanzierung gerne in Kauf nehmen, wenn sie damit einem übergeordneten Ideal, in diesem Falle der Verlangsamung der Virusausbreitung zum Schutz älterer und immunschwacher Menschen und zur Entlastung unseres Gesundheitssystems, dienen. Menschen, die sich nicht an die „Regeln“ halten, verärgern diesen Typus sehr. Er neigt dann zum Kritisieren anderer und kann belehrend werden. Tipp für Perfektionisten: Es ist toll, dass Sie so bemüht sind, alles bestmöglich umzusetzen. Bedenken Sie aber, dass Sie andere nicht durch harsche Kritik überzeugen werden, es Ihnen gleichzutun. In dieser Zeit ist es – neben der Umsetzung der Schutzmaßnahmen – auch wichtig, für sozialen Zusammenhalt zu sorgen. Versuchen Sie, Ihren Mitmenschen mit Freundlichkeit und Geduld zu begegnen. Achten Sie auf wertschätzende und unterstützende Kommunikation. 2. Die Sozialen Diese Menschen sind die geborenen Helfer: Sie sorgen sich um andere, möchten ihre Lieben wohlauf wissen und nehmen anderen gerne etwas ab. Es sind beispielsweise die Menschen, die im Hausflur Zettel mit der Info aufhängen, dass sie gerne für Senioren oder Hausmitbewohner mit Einschränkungen den Einkauf erledigen. Da es ihnen gut geht, wenn andere zufrieden und gesund sind, liegt ihre Priorität und Aufmerksamkeit auf den Bedürfnissen ihres Umfelds. Als sehr empathische Menschen fühlen sie mitunter stark mit denjenigen mit, die besonders heftig von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind. In aller Regel fällt es diesem Typus schwer, gefühlt auf sich selbst zurückgeworfen zu sein. Tipp für Soziale: Während Ihre Hilfsbereitschaft bewundernswert ist und ein tolles Zeichen setzt, sollten Sie darauf achten, sich nicht komplett zu verausgaben und Ihre eigenen Bedürfnisse auszublenden. Sie sind emotional und empfindsam: Lassen zur Abwechslung auch mal Sie sich helfen und versuchen Sie, sich selbst etwas Gutes zu tun, um Ihre Kraftreserven wieder aufzuladen: Ein wenig Meditation und Yoga können zur inneren Einkehr und so zu höherer Zufriedenheit führen. Und nutzen Sie Telefon und Internet, um mit all Ihren Lieben in engem Kontakt zu bleiben! 3. Die Workaholics Leistungsorientierten Menschen geht es vor allem darum, aktiv bleiben zu können: Überspitzt gesagt kommt ihnen die Pandemie „ungelegen“, da sie gerne im Job sowie im Privatleben durchpowern und täglich in die Erreichung ihrer Ziele investieren. Dass die empfohlenen Maßnahmen zur Verbesserung der aktuellen Situation vor allem in Zuhausebleiben, Ruhebewahren und somit quasi Passivität bestehen, widerspricht dem grundlegenden Antrieb dieses Typus. Er leidet, wenn er nur noch eingeschränkt arbeiten kann oder auf sein regelmäßiges Training im Fitnessstudio verzichten muss. Stillstand ist normalerweise keine Option. Tipp für Workaholics: Versuchen Sie, so gut es geht Alternativen zu finden, mit denen Sie weiterhin „in Bewegung“ bleiben können. In vielen Branchen kann aus dem Homeoffice mindestens genauso effizient gearbeitet werden wie vor Ort. Ist Ihnen Sport wichtig, so gibt es zahlreiche Möglichkeiten, selbst in der kleinsten Wohnung ein Training zu absolvieren. Jetzt ist auch die richtige Zeit, mit Meditation zu beginnen und zu reflektieren, ob Sie auch langfristig den Fuß etwas vom Gaspedal nehmen bzw. auf was genau Sie sich fokussieren können. Was tut Ihnen im Inneren gut? 4. Die Unverstandenen Menschen mit Stimmungsschwankungen, die sich ohnehin oft als „anders“ wahrnehmen und als Außenseiter empfinden, können unter der sozialen Isolierung leiden. Es kann auch passieren, dass Sie sich in eine Palette intensiver Gefühle in Bezug auf die aktuelle Lage hineinsteigern und aufhören, gut für sich selbst zu sorgen, da sie in gewisser Weise diese Intensität genießen. Weil es sich hierbei jedoch meist um sehr kreative Typen handelt, liegt darin auch eine Chance der Verarbeitung der Krise. Tipp für Unverstandene: Da Sie sich stark mit Ihren Emotionen identifizieren, geht es Ihnen immer dann gut, wenn Sie diese auf kreative oder künstlerische Weise zum Ausdruck bringen. Nutzen Sie deshalb die Zeit der – freiwilligen oder erzwungenen – Quarantäne, um sich Aktivitäten wie Schreiben, Musizieren, Malen oder Basteln zu widmen und damit Ihre Gefühle zu verarbeiten. Ihre Werke mit Gleichgesinnten in den sozialen Medien zu teilen, verringert auch Ihr Gefühl der Einsamkeit. Generell gilt es, sich körperlich schaffend positiv spüren zu können. 5. Die Wissbegierigen Sehr zerebrale, objektive „Akademiker“-Typen wollen in erster Linie mehr Informationen über das Coronavirus und alles rund um dieses Thema. Sie hören Virologen-Podcasts, lesen jeden entsprechenden Artikel und vertiefen ihr Wissen womöglich noch durch eigene Recherche und Fachbücher. Da die Wissbegierigen ohnehin meist wenig in Kontakt mit ihren eigenen Gefühlen stehen, begegnen sie der Thematik eher mit wissenschaftlicher Neugier, ohne Angst oder andere starke Emotionen. Tipp für Wissbegierige: Es ist bemerkenswert, dass Sie sich so gründlich informieren und einen kühlen Kopf bewahren. Menschen wie Sie braucht es jetzt in sämtlichen Bereichen von Wissenschaft bis Politik, um an Lösungsstrategien zu arbeiten. Vergessen Sie jedoch nicht, dass nicht jeder so rational mit der aktuellen Situation umgehen kann und dass manche Menschen – aus Ihrer Sicht – (über)emotional oder irrational darauf reagieren. Schenken Sie besonders Ihnen nahestehenden Personen eine Extraportion Verständnis und Trost. 6. Die Besorgten Menschen von diesem Typus haben einen eingebauten Risikoradar und sind zu jeder Zeit vorbereitet, falls der Worst Case eintritt. Es handelt sich hierbei um diejenigen, die sich bereits im Januar mit extrasicheren Atemmasken eingedeckt haben, ohne Desinfektionsmittel ohnehin nie das Haus verlassen und zu „Vorratseinkäufen“ neigen. Die täglich neuen Meldungen zur Pandemie befüttern ihre Ängste und es fällt ihnen sehr schwer, überhaupt noch zur Ruhe zu kommen. Sie sichern sich (in den Augen anderer) auf teils übertriebene Weise ab und empfinden die aktuelle Lage als extremen Stressfaktor. Tipp für Besorgte: Ja, es herrscht ein Ausnahmezustand und ja, wir müssen Maßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen von Corona einzudämmen. Malen Sie sich aber nicht immer nur das Worst-Case-Szenario aus, sondern informieren Sie sich umfassend und nehmen Sie bewusst auch „positive“ Prognosen zur Kenntnis, die sich damit befassen, welche langfristigen (guten) Entwicklungen diese Pandemie für die Menschheit haben könnte. Ein ruhiger Spaziergang im Grünen oder ein warmes Bad mit einer Kerze können zusätzlich beruhigen und Vertrauen schenken. 7. Die Optimisten Die Sonnenscheine unter uns dürften jetzt viele beneiden: Als Stehaufmännchen und Glas-halb-voll-Typen lassen sie sich auch vom Coronavirus nicht ihre Hoffnung und gute Laune nehmen. Im besten Falle machen sie das meiste aus der Situation, indem sie andere aufheitern und mit Humor für willkommene Ablenkung sorgen. Im schlechtesten Fall nehmen sie die Lage nicht ernst genug, verhalten sich unvorsichtig und gefährden womöglich andere. Da sie sich ungerne einschränken lassen, kann es zum Beispiel passieren, dass sie trotz der empfohlenen sozialen Distanzierung noch andere Menschen treffen, weil sie sich alleine langweilen. Tipp für Optimisten: Auch wenn Ihre Fähigkeit zum Reframing, also zur positiven Umdeutung bedrohlicher Situationen, im Positiven dafür sorgt, dass Sie ziemlich gut mit der Situation klarkommen: Beachten Sie dennoch Fakten, Details und Ernst der Lage! Suchen Sie nach Möglichkeiten, sich innerhalb Ihrer eigenen vier Wände genügend „Spaß“ und Entertainment zu verschaffen, und halten Sie sich bitte an die empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen, auch wenn Sie selbst vom „besten Verlauf“ ausgehen. Denken Sie sich visionäre Möglichkeiten für die Zeit nach der Krise aus und „baden“ Sie in diesen. 8. Die Rebellen Dominante Persönlichkeitstypen, die gerne selbst die Kontrolle behalten und sich nicht in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlen wollen, tun sich mitunter schwer mit den Unwägbarkeiten dieser „unsichtbaren Gefahr“, die das Coronavirus bedeutet. Sie folgen ungerne auferlegten Regeln und misstrauen womöglich auch den Empfehlungen der sogenannten Experten. Im Positiven sind dies jedoch meist starke Persönlichkeiten, die „Schwächeren“ eine starke Schulter zum Anlehnen bieten und für Klarheit und Orientierung sorgen. Tipp für Rebellen: Auch wenn Sie sich nicht gerne sagen lassen, was Sie zu tun haben: Betrachten Sie die empfohlenen Schutzmaßnahmen im Zuge dieser Pandemie als wichtigen Dienst am Kollektiv, der gerade den Schwachen unserer Gesellschaft zugutekommt. Nutzen Sie Ihren ausgeprägten Gerechtigkeitssinn als Motivator für unseren derzeitigen Versuch, die Auswirkungen des Virus so gering wie möglich zu halten. Und schenken Sie Ihren Mitmenschen ein wenig von Ihrer grandiosen Kraft. 9. Die Tiefenentspannten Einige unter uns scheinen so sehr in sich zu ruhen, dass sie nichts zu erschüttern vermag: Als Ruhepol in Krisenzeiten sind sie eine Stütze für ihre Mitmenschen und nehmen die Entwicklungen mit beneidenswertem Gleichmut auf, ohne auch nur ansatzweise in Panik zu geraten. Diese bemerkenswerte Entspanntheit kann sich auch ins Gegenteil verkehren, wenn sie zu gleichgültig werden und nach dem Vogel-Strauß-Prinzip auf die Pandemie reagieren. Es besteht zudem die Gefahr, dass sie sich – gerade in Zeiten des Zuhausebleibens – in betäubendem, passiven Konsumverhalten verlieren. Ganz im Sinne des „Cocooning“, der gemütlichen Abschottung nach außen. Tipp für Tiefenentspannte: Nutzen Sie Ihre innere Gelassenheit, um sorgenvolle Charaktere zu beruhigen. Achten Sie aber darauf, vor lauter Gleichmut nicht zu passiv zu werden: Strukturieren Sie auch im Homeoffice und in der zuhause verbrachten Freizeit Ihren Tag und setzen Sie sich täglich Ziele, die Sie erreichen möchten. Feste Zeiten, ein täglicher Rahmen und Rituale helfen Ihnen dabei. Bleiben Sie so aktiv wie möglich, denn wenn Sie sich nur noch berieseln lassen, könnte Ihnen das doch früher oder später aufs Gemüt schlagen. Ragnhild Struss
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